S o n d e r s e i t e  f ü r    G E R D   B E I K E

Geboren wurde er am 12.05 1948 als Gerhard Heinrich August Beike in Emsdetten. Münsteraner, die gelegentlich kulturelle Veranstaltung besuchten, kannten ihn als Gerd Beike, wie er mit seinem großen Objekt am Bühnenrand stand und den Akteuren Handzeichen gab, wie sie sich zu positionieren haben, um am nächsten Tag in der Zeitung gut auszusehen. Die 80er Jahre hindurch war er Pressefotograf für die Westfälischen Nachrichten, ab 1989 dann für die Münstersche Zeitung. Nebenher knipste Beike für unzählige andere Printmedien (z.B. vier Jahre für die BILD in  Essen).


Gerd Beike 1988
(Selbstportrait)

Gerd Beike 1999

Gerd Beike 2002

Am 2. März 2005 wurde Gerd Beike tot in seiner Wohnung aufgefunden.
Sein Leben beschreiben kann am besten Susanne Verhufen, die seit 1999 seine Freundin war:

Bitte Lächeln!
Ein ganz persönlicher Nachruf für Münsters Szenefotografen Gerd Beike
von Susanne Verhufen

„Nun mach endlich!“ Ungeduldig, mit völlig verkrampften Gesichtsausdruck sitzt Gerd vor seiner Studiokamera und wartet darauf, dass ich endlich auslöse. „Also Gerd so geht das nicht, du guckst aus der Wäsche wie so ein Sträfling. Nun sei doch mal ganz locker.“ Aber Gerd will einfach nicht locker werden. Nach dem sechsten verschossenen Polaroid wird es mir zu bunt. „Gerd, jetzt wollen wir mal eins klarstellen: Ich bin jetzt der Fotograph und du das Modell, und deswegen hast du jetzt genau das zu machen, was i c h dir sage. Also: Hals gerade, Kinn mehr nach unten und den Kopf leicht nach links. Und jetzt bitte Lächeln!!!“
An diesem Tag ahnte keiner von uns beiden, dass eins der hierbei entstanden Fotos (siehe oben in der Mitte) einmal seinen Nachruf zieren würde.
Wie hätten wir auch annehmen wollen, dass Gerd bereits mit 56 Jahren sterben könnte.
Er, dessen inneres Wesen einfach nicht altern wollte, weshalb er auch am liebsten junge Mädels fotografierte. Er, der leidenschaftlich Badminton spielte und zu der Zeit, als ich ihn kennen lernte, zwei mal am Tag um den Aasee gejoggt ist. Er, dessen Mutter über 90 Jahre alt geworden ist.
Stattdessen haben wir darüber spekuliert, wie es wohl wäre, wenn er sich im Greisenalter befände. Fotografieren wollte er dann immer noch und eine junge hübsche Pflegerin haben - ganz wichtig für ihn: „Aber ´ne Schlanke!“


Wahl zur Miss Münster 1992 (Foto: Gerd Beike)

Natürlich haben wir uns auch darüber unterhalten, wie er sich einmal seine Beerdigung vorstellt. Aber wir dachten, das sei noch lange hin. Gerd hasste die üblichen Beerdigungen, bei denen dann alle ganz bedrückt sind. Er war von Natur aus ein fröhliches Kerlchen. So erklärt sich auch sein Wunsch: „Ich möchte zu meiner Beerdigung eine Party, am besten mit einer Ska-Band.“ Und: „Auf meinen Grabstein soll „Bitte lächeln“ draufstehen!“ Und dann amüsierte er sich köstlich bei den Gedanken, wie die Leute wohl auf diesen Bruch aller gängigen Konventionen reagieren könnten.
Überhaupt waren Konventionen für ihn ein Graul, auch wenn er sich gewöhnlich nicht heraus nahm, sie zu brechen. Statt dessen hatte ich den Eindruck, dass er seine Haltung durch seine Bildern ausdrückte. Stets war er bemüht Leben auf seine Fotos zu bringen, dass seine „Models“ einfach nur aufgereiht wie die Zinnsoldaten standen, kam bei ihm nicht vor. Am liebsten mochte er die Bilder, die allgemein als etwas gewagt galten und entsprechenden Aufruhr verursachten.


Gerd hat immer im richtigen Moment abgedrückt: Jürgen Drews und Fan

Oft habe ich mich gefragt, wodurch bei ihm dieser Wunsch entstanden ist, es anders zu machen, als die große Masse. Nur ganz selten öffnete er sich und sprach mit mir darüber wie schwer für ihn die Zeit in der elterlichen Bäckerei war. Als er noch zu Zeiten aufstehen musste, die völlig gegen sein Naturell gingen. Da er der einzige Sohn war, erwartete man von ihm, dass er die Bäckerei einmal weiter führen würde, und so gehörte es sich für ihn, dass er eine Ausbildung als Bäcker und Konditor absolvierte. Wäre sein Vater nicht gestorben, als Gerd knapp einundzwanzig war oder wäre die Innenstadtsanierung in Emsdetten nicht gewesen, wegen der das väterliche Haus gegen ein anderes eingetauscht werden musste, und hätte seine Mutter ihm nicht erlaubt die Abendschule zu besuchen, dann hätte es den Pressefotografen Gerd Beike wohl nie gegeben.


Gorbatschow 1999 in Münster (Foto: Gerd Beike)

Überhaupt war seine Mutter für ihn sein Ein und Alles. Mit ihr führte er ein total „bürgerliches Leben“ in Emsdetten. Ein Leben, in das er mir anfangs nur ungern Einblick gewährte, unterschied es sich doch so gewaltig von der Welt, in die er für seine Pressearbeit eintauchte. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es ihm peinlich war, dass ich mitbekam, wie oft am Tag seine Mutter nach ihm verlangte. Neben seiner Mutter gab es nur zwei Frauen in seinem Leben, an denen er wirklich hing. Die eine war meine Wenigkeit, und die andere war Heike. Als ich Gerd kennen lernte, hing sein Herz immer noch an Heike und er bedauerte es nach fast zehn Jahren immer noch, dass er seine große Liebe seiner Bequemlichkeit geopfert hatte. Aber man habe im Leben immer zwei Chancen. Anfangs hat Gerd eine zweite Heike in mir gesehen. Erst als seine Mutter zum Pflegefall wurde und er merkte, dass er in mir trotzdem eine verlässliche Stütze hatte, fing er an, mich als eigenständigen Menschen zu betrachten. Während dieser Jahre schränkte er sich beruflich und freizeitmäßig sehr ein, damit er an fünf Tagen in der Woche bei seiner Mutter sein konnte. Dies war eine sehr schwere Zeit für ihn, ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich ihn trösten und helfen musste, wenn er wieder völlig überfordert psychisch zusammen gebrochen ist. Gegenüber der Außenwelt gab er sich dennoch immer souverän.
Einmal gestand Gerd mir, dass ich bisher die einzige sei, die es geschafft habe, hinter seine Fassade zu gucken und seines wahres verletzbares „Ich“ zu entdecken. Habe ich bereits zuviel von diesem Einblick preisgegeben? Habe ich zuviel erzählt von dem Mann, der ungern selber im Rampenlicht stand, von dem Mann, der sich hinter seiner Kamera versteckte, wie hinter einem Schutzschild?
Und doch habe ich so vieles über ihn noch nicht erzählt. Und werde es wahrscheinlich auch nie. Es würde den Rahmen sprengen.

Susanne Verhufen im August 2005

Zu seinen Lieblingsmotiven zählten:


Junge Damen
(hier auf einem MZ-Werbefoto)


und Steffi Stephan
(vor ihm: Jörg Twenhöven & Udo Lindenberg)

Externe Links:
Münstersche Zeitung

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